Worte als Waffen

(TAZ vom 26. September 01
Auszug, Gesamttext in »Prenzlberger Ansichten« vom Oktober 01)

Der Strudel, in den sich unsere Politiker hineingeredet haben, ist tödlich. Und warum sind plötzlich soviele Begriffe unklar? Als unmenschlicher Terrorismus wurden die Anschläge bezeichnet, gibt es also auch menschlichen? Zählen dazu vielleicht die Anschläge, die in den 80ern von den USA auf Nicaragua ausgeübt worden sind? Bush bezeichnet seine Nation als das »Gute«. Das schon gegen das »Böse« siegen werde.
Von einer Verteidigung Amerikas kann keine Rede sein, da eine einzige Anschlagsreihe erfolgte, keine Kriegserklärung vorliegt, keine Drohungen, Belagerungen, dauerhaften Angriffe. Vergeltung ist selbstverständlich verboten. Warum darf sogar unter diesem Namen eine Militäraktion ins Leben gerufen werden, ohne daß jemand auf die unbesonnenen Finger klopft? Die asymetrische Kriegsführung ist keineswegs zwingend geboten, denn es gibt keinen Staat, der den Krieg erklärt hat und führt wohl tatsächlich zu einer Spirale der Gewalt. Solidarität mit Waffengewalt, ist das zivilisiert?
Ich sehe ein zorniges großes Kind, das mit dem Fuß aufstampft und nach Rache schreit, nach Blutrache, und so natürlich nicht nachdenken kann. Denn selbstverständlich ist das Gericht, nicht das Militär zuständig. Das sagt neben dem gesunden Menschenverstand auch die Völkerrechtsverordnung. Statt dessen soll ein Rundumschlag genug vernichten, damit das große Kind wieder der unangefochtene Chef der Bande sein kann, der wichtigste Partner der Natoländer. Aber wen wird es treffen? Unschuldige, wie schon in Amerika. Ein militärischer Angriff auf Afghanistan und andere Länder wäre der Auslöser einer humantitären Katastrophe. Wem nützt das alles außer der Waffenindustrie?
Obwohl kein Staat hinter dem Anschlag steht, wird einer angegriffen. Mit Billigung und Unterstützung fast der ganzen Welt, die froh ist, einen Sündenbock zu haben. Die Logik der Hoffnung, das alles nicht so schlimm werden würde, stünde sie hinter all den Versprechen zur uneingeschränkten Solidarität, wäre ziemlich naiv. Jetzt, spätestens nach der Bundestagsabstimmung, die militärische Unterstützung verspricht, könne man nicht mehr zurück. Tatsächlich konnte man schon vom ersten Versprechen an nicht mehr zurück. Worte sind Waffen, aber noch haben sie in diesem Falle nicht getötet …