Strandkorb-Leben oder Raum ist in der kleinsten Hütte


(veröffentlicht in der Sinn-Bar)

Blätter wehen durch kühle, gefühlt sogar schon kalte Luft. Der Herbst ist da, und man denkt unweigerlich an Weihnachten und Schnee, als rieche die Luft bereits danach. Doch Moment, gerade, gerade eben saßen wir doch noch im Strandkorb!
Ach, dieses schöne Gefühl, die Sommersonne auf der Haut zu fühlen, die Sommerbrise um die Nase. Und allzeit eine Handbreit Sand unterm Arsch…
Auf meinem Küchetisch liegt der Schlüssel mit der metallenen Plakette, in die die Nummer unseres Strandkorbes graviert ist. G 47. Mein Liebster hatte den Schlüssel mit einem Fluchen aus der Hosentasche gezogen, als wir wieder zu Hause waren. Herrgottnochmal, vergessen!
Er legte eine Gedenksekunde für das Pfandgeld ein, erholte sich jedoch überraschend schnell und überreichte mir lächelnd den Schlüssel. Als Geschenk. Als Erinnerung an die schöne Zeit, die wir gemeinsam im Strandkorb gesessen hatten und über die Ostsee geblickt hatten. G wie gerade gut genug? G wie gerade Gewürzgurke gegessen? Nein, G wie gerade gedacht, Glück gefühlt, grooooßartig!
So ein Strandkorb hat schon was, hatte ich gesagt, als wir noch drinsaßen. Am liebsten würde ich nie mehr aufstehen, außer, um meinen täglichen Hühnergott zu suchen. (Ja, darin bin ich aber-gläubig. Meinen täglichen Hühnergott gib mit heute!)
So ein Strandkorb ist ein kuscheliges Liebesnest, wie gemacht für zwei Frischverliebte, wenn man die Rückwand etwas nach hinten klappt. Die umschlungenen Körper brutzeln wie zwei Grillhähnchen am Spieß, aber auch Wind oder gar Regen können ihnen nix anhaben. Die Wanne ist (immer) voll (Uh, u uhhhh)… Geflügelte Haustiere gibt es auch zum gelegentlichen Füttern bzw. zur Altbrotverwertung (Ahr ahr..) Und der Geist, der reitet auf den Wellen dem Horizont entgegen und schwingt sich in ungeahnte Höhen. So ein Strandkorb, sinnierte ich also seufzend, in Gedanken bei unseren zwei Singlehaushalten, so ein Strandkorb würde doch schon reichen. Für uns zwei. Oh, ja, stimmte mein Schatz zu, und die Miete wäre durchaus erschwinglich! Und auch eine anfallende Dachreparatur würde uns nicht gleich ruinieren.
Wir sahen uns ein bisschen in unseren vier, nein, drei Wänden um. Sitzbank und Fußbänkchen inklusive, stellten wir fest. Und auch das Sonnendach mit Rollo sei schon dran. Und das Beste, seufzte ich, ist natürlich die… Meernähe, ergänzte er. Unbezahlbar!
Unordnung hätte auch keinen Platz hier. Man könnte nie wirklich was nicht wieder finden, meinte ich. Er würde mich nie fragen müssen, wo seine Socken geblieben wären und wenn doch, würde ich nur ein Wort brauchen: Graben! Und um den Abwasch, sagte er schwärmerisch, müssten wir auch nicht streiten. Bzw., sagte ich mahnend, weil ich wert auf genaue Wortwahl lege, eher GEGEN den Abwasch, wer streitet sich schon UM… Er kitzelte und küsste mich nun abwechselnd, worauf wir so lachten, dass unser Minihaus beinahe auseinanderbrach…
Wir sind nun wieder in unseren beiden Wohnungen und besuchen uns wie zivilisierte Großstädter gelegentlich gegenseitig. Zusammen wohnen bzw. eine gemeinsame Wohnung haben ist ja eines der schwierigsten Unterfangen. Aber, wir zwei beiden sind stolze, wenngleich zufällige Besitzer eines Strandkorbes! Allerdings unterstelle ich meinem Freund durchaus eine Freudsche Fehlleistung statt einfachen Vergessens, das ist romantischer.
Wir haben einen Strandkorb, bis der Besitzer, der sicher Gift und Galle gespuckt hat auf das diebische Touristenpack, das Schloss austauscht, wahrscheinlich hat er das längst getan.
Aber wir, die wir die silberne G 47 auf dem Küchentisch liegen haben, lächeln und träumen uns in unseren Strandkorb mit dem G wie Glück….